Die Deadline noch schaffen müssen, Druck vom Chef, Ärger mit den KollegInnen oder zuhause: Einer von vier Deutschen leidet unter andauerndem Stress. Stress ist ein enormer Belastungsfaktor für unsere Gesundheit. Er macht uns anfälliger für Infektionskrankheiten, wirkt sich negativ auf chronische Erkrankungen aus und kann psychische Krankheiten auslösen. Wer seiner Gesundheit etwas Gutes tun möchte, sollte daher lernen, wie man Stress abbauen kann. Fernarzt zeigt wie!
Was ist Stress?
Um Stress zu reduzieren, hilft es zu verstehen, was Stress ist. Stress kann Lärm sein, Zeitdruck, zwischenmenschliche Konflikte oder auch die Angst vor globalen Auseinandersetzungen. Was als Stress wahrgenommen wird, ist sehr individuell. Stress fasst alle inneren und äußere Reize (Stressoren) zusammen, die eine Person stark beanspruchen und das innere Gleichgewicht beeinflussen. Man unterscheidet dabei zwischen positiven (Eustress) und negativem Stress (Disstress). Im allgemeinen Sprachgebrauch ist mit Stress meist Disstress gemeint. In der Stressforschung gibt es zwei große Ansätze zur Definition von Stress.
Im biologischen Modell wird Stress als Reaktion innerer Prozesse auf äußere Belastungsfaktoren begriffen. Stress wird evolutionär als Gefahrensituation wahrgenommen. Der Flucht- oder-Kampf-Mechanismus aktiviert den Körper, Energiereserven werden zur Verfügung gestellt und so die Leistungsbereitschaft erhöht. Der Mensch versucht den Stressoren standzuhalten, sie aus dem Weg zu schaffen bzw. sich anzupassen. Dieser Widerstand ist jedoch nur über einen kurzen Zeitraum möglich. Stress als Dauersituation stellt eine chronische Belastung dar, bringt enorme Erschöpfung mit sich und stört die Regeneration.
Stress wird nachdem psychologischem Modell als Interaktion verstanden. Die Wirkung der Stressoren ist dabei von den verfügbaren Ressourcen zur Stressbewältigung abhängig.
Der Mensch bewertet den äußeren Reiz nach Relevanz und Konsequenz. Der Reiz kann dabei als positiv, irrelevant oder stresshaft eingeordnet werden. Der Stress existiert nach diesem Modell nur dann, wenn er von der jeweiligen Person auch als Stress wahrgenommen wird.
Stresshaft eingeordnete Situationen müssen bewältigt werden, entsprechend erfolgt eine Abschätzung der zur Verfügung stehenden Ressourcen. Es folgen Bewältigungshandlungen, sogenanntes Coping. Sind diese erfolglos, wird der Stress zur Bedrohung.
Mittlerweile gibt es zahlreiche weitere Modelle, die Stress aus soziologischer, psychosomatischer, verhaltenspsychologischer oder biochemischer Sicht erläutern.
Bei Stress wird der Körper in Alarmbereitschaft versetzt. Dabei werden Stresshormone wie Cortisol, Adrenalin und Noradrenalin ausgeschüttet. Stress kann zahlreiche körperliche Symptome mit sich bringen.
Stress-Symptome können sein:
- Erhöhter Blutdruck
- Schnellere Atmung
- Schwitzen
- Rückenschmerzen
- Kopfschmerzen
- Kreislaufprobleme, Schwindel
- Magen-Darm-Beschwerden (Übelkeit, Appetitlosigkeit, Verstopfung, Durchfall)
- Fatigue
- Schlafstörungen
- Geringere Leistungsfähigkeit
- Reizempfindlichkeit
- Konzentrationsschwäche
- Verminderte Libido
Stress macht krank
Langfristig kann Stress Erkrankungen verschlimmern oder zu deren Entstehung beitragen. Erkrankungen, die mit Stress assoziiert werden, sind:
Herz-Kreislauf-Erkrankungen,
chronische Kopf- und Rückenschmerzen,
erhöhter Augeninnendruck sowie
psychische Erkrankungen wie Angststörungen, Depressionen und Burn-Out.
Stress schwächt zudem das Immunsystem. Daher sind Menschen in Stresssituationen anfälliger für Infektionskrankheiten. Klassischerweise kommt der Infekt nach dem Stressabfall, wenn der Cortisol-Spiegel etwas abgesunken ist. Cortisol wirkt durch Ausschwemmung von Neutrophilen-Granulozyten kurzfristig aktivierend auf das Immunsystem. Diese Wirkung lässt bei Abfall des Cortisols nach. Bei chronischem Stress wird dieser Effekt durch die Hemmung der Lymphozyten-Antwort überlagert. Kann Stress nicht bewältigt werden, löst dies in vielen Menschen ungesunde Coping-Mechanismen aus, wie emotionales Essen oder Substanzmissbrauch. Wer lange unter Stress leidet, ist daher anfälliger für Übergewicht und Suchterkrankungen.
Es besteht eine Wechselwirkung zwischen der Haut und der Psyche. Stress kann negative Effekte auf das Hautbild sowie chronische Hauterkrankungen haben. So neigen beispielsweise viele Menschen mit Psoriasis, Neurodermitis oder Akne bei Stress zu stärkeren Beschwerden. Stress kann hier auch Trigger für Krankheitsschübe sein. Stress schwächt das Immunsystem und damit auch die Hautbarriere. Die Haut ist schneller gereizt und anfälliger. So kann es bei Stress zu Hautausschlag kommen. Beispielsweise durch Reibung, verschiedene Wirkstoffe im Waschmittel oder Kleidung. In normalen Situationen lösen diese vielleicht keine Reaktionen der Haut aus. Ist die Haut durch Stress geschwächt, können sonst verträgliche Stoffe Auslöser für Irritationen sein.
Wie kann man Stress abbauen?
Stress reduzieren mit mentalem Training
Motive, Einstellungen und Bewertungen gegenüber Herausforderungen haben starken Einfluss auf das Stresserleben. Stärken wir unsere Widerstandsressourcen (Resilienz), können wir langfristig besser mit stresshaften Situationen umgehen.
In einer Studie des Max-Planck-Instituts konnte nachgewiesen werden, dass mentales Training Stress abbaut. Als Indiz für anhaltenden Stress wurde die Cortisol-Menge im Haar analysiert.
Nach 6 Monaten mit mentalem Training konnte die Cortisol-Menge im Haar der ProbandInnen um 25 Prozent reduziert werden. Das mentale Training umfasste Achtsamkeitsübungen, Mediation sowie Verhaltenstraining, um soziale und kognitive Fähigkeiten zu schulen.
Stress wegschreiben
Expressives Schreiben kann als Werkzeug zur Stressminderung eingesetzt werden. Das fanden Forschende der Rutgers University-Newark heraus. Man solle sich dabei mit Fehlern aus der Vergangenheit befassen und diese reflektieren sowie auswerten. Das soll nachweislich die zukünftige Reaktion auf Stress verbessern. Durch die Auseinandersetzung mit den eigenen Fehlern, wird das Gehirn kognitiv geschult und besser auf Stresssituationen vorbereitet.
Atemtechniken zum Stressabbau
Atemtechniken können bei Angst oder akuten Stresssituationen dabei helfen, die Ruhe zu bewahren. In Stresssituationen steigt die Atemfrequenz. Mit bewusstem Atmen kann man diesem Symptom entgegenwirken. Gewinnt man Kontrolle über den Körper, hat das auch Auswirkungen auf die psychischen Folgen des Stresses. Es kann so beispielsweise gelingen, innere Unruhe zu bekämpfen und die Konzentrationsfähigkeit wiederherzustellen.
Soziale Kontakte gegen Stress
Wer an Stress leidet, sollte Unterstützung aus dem sozialen Umfeld einholen.
Sich auch über die eigenen Probleme auszulassen oder bei gemeinsamen Aktivitäten abzuschalten, kann Stress abbauen. Soziale Kontakte stärken die Resilienz und tragen zur Stressreduktion bei.
Im sozialen Austausch können effektive Bewältigungsstrategien gefunden werden, Stressfaktoren aus dem Weg zu räumen oder zu mindern. Selbst wenn das nicht gelingt, tragen Sozialkontakte nachweislich zum Wohlbefinden bei und bieten eine Stütze in Stresssituationen.
Geheimwaffe gegen Stress: der Waldspaziergang
Eine US-amerikanische Studie hat herausgefunden, dass 20 bis 30 Minuten in der Natur täglich den Cortisol-Spiegel nachweislich senken. Die Teilnehmenden der Studie sollten bei Tageslicht allein Zeit im Grünen verbringen. Dabei sollte auf Unterhaltungen, Lesen, Social Media oder sportliche Übungen verzichtet werden.
Die besten Ergebnisse bei Probanden wurden erzielt, wenn sie die Zeit im Sitzen oder mit einem Spaziergang verbrachten. Ein täglicher Spaziergang durch den Park oder einen anliegenden Wald kann Ihr Stresslevel langfristig senken.
Stress abbauen mit Massagen
Eine Studie der Universität Konstanz konnte zeigen, dass eine 10-minütige Massage einen schnellen Entspannungseffekt erzielt und dabei hilft Stress zu reduzieren.
Dieser Effekt kann in geschmälerter Form auch erreicht werden, wenn man sich kurz 10 Minuten Zeit nimmt, um zu ruhen. Wer die Möglichkeit hat, sich massieren zu lassen, sollte diese nutzen, da der dann Effekt größer ist. Aber auch 10 Minuten Ruhe können schon dabei helfen, akutem Alltagsstress entgegenzuwirken.
Stress wegschlafen
Besonders in stressigen Lebenssituationen ist gesunder Schlaf enorm wichtig. Aufgrund der zusätzlichen Belastung braucht der Körper diese Zeit der Regeneration besonders. Allerdings kann sich der Stress selbst negativ auf unseren Schlaf auswirken und Schlafstörungen verursachen. Seien Sie daher besonders achtsam, dass sie genügend Ruhe bekommen. Reagieren Sie bei Schlafstörungen schnell: Versuchen Sie es einmal mit Schlafhygiene-Tipps oder holen Sie im Ernstfall ärztlichen Rat ein. Schläft man schlecht, trägt dies zur Erhöhung des Cortisol-Spiegels bei. Schlechter Schlaf bedeutet also zusätzlicher Stress. Ein kleiner Power-Nap oder mehr Schlaf in turbulenten Zeiten kann Stress entgegenwirken.
Sport gegen Stress
Auch die Aussage, dass sportliche Betätigung gegen Stress hilft, konnte wissenschaftlich bestätigt werden. Eine Studie hat nachgewiesen, dass SportlerInnen stressresistenter sind als Nicht-SportlerInnen. Durch die sportlichen Aktivitäten hätten sie eine Art “Stresspuffer”. Durch Training, insbesondere Ausdauertraining, kann auch das bestehende Stresslevel reduziert werden. In einer Studie wurden 149 Männer einer Trainingsgruppe, einer Entspannungsgruppe oder einer Kontrollgruppe zugeteilt. Bei der Trainingsgruppe konnte ein positiver Effekt mit Blick auf die Stressreaktivität und Stresserholung beobachtet werden. Dafür wurde der Speichel auf Cortisol untersucht. Eine äquivalente Studie wurde mit weiblichen Probandinnen durchgeführt und konnte den Effekt ebenfalls bestätigen.
Eisbaden gegen Stress
Der niederländische Extremsportler Wim Hof, auch “The Iceman” genannt, hat einen enormen Hype um das Eisbaden ausgelöst. Tatsächlich kann Eisbaden positive Effekte auf das Wohlbefinden und die Stressresistenz haben. Sogar ein antidepressiver Effekt kann erzielt werden. Wie beim Ausdauersport wird ein sogenannter Stresspuffer aufgebaut. Die Kälte versetzt den Körper in eine temporäre Stresssituation. Gewöhnt man sich daran, den Körper regelmäßig der Kälte auszusetzen, hat das positive Effekte auf die Stressreaktivität. Ein ähnlicher Effekt ergibt sich bei extremer Hitze oder dem Wechsel von Hitze zu Kälte, beispielsweise bei regelmäßigen Saunagängen. Bei Herz-Kreislauf-Erkrankung sollten beide Methoden jedoch zuvor ärztliche abgeklärt werden.
Tiere bei Stressreduktion
Nicht nur die Natur, auch der Kontakt zu Tieren kann dabei helfen, Stress abzubauen. Dafür wurden zahlreiche Studien durchgeführt, vor allem mit Therapiehunden. Der Effekt kann jedoch auch mit anderen Tieren erzielt werden, beispielsweise dem eigenen Haustier. Bereits 10 Minuten mit einem Tier zu spielen oder es zu streicheln, senken das Stresslevel.
- Mentales Training
- Expressives Schreiben, Reflektion vergangener Fehler
- Atemtechniken
- Soziale Kontakte
- Ruhezeit in der Natur
- Massagen und kurze Ruhephasen
- Guter und erholsamer Schlaf
- Ausdauersport
- Regelmäßiges Eisbaden oder Saunagänge
- Kontakt zu Tieren
Häufige Fragen zum Stressabbau
Es gibt zahlreiche Methoden, um gegen psychischen Stress vorzugehen. Ruhezeiten einhalten, Zeit in der Natur oder mit Tieren, Massagen und soziale Kontakten senken das Stresslevel. Es ist möglich die eigenen Widerstandsressourcen gegen Stress zu trainieren, beispielsweise mit mentalem Training, expressivem Schreiben oder Ausdauersport. Atem- und Entspannungstechniken können bei akutem Stress helfen.
Für diese Frage gibt es keine universelle Antwort. Die benötigte Erholungszeit unterscheidet sich je nach Individuum sowie Intensität und Dauer der Stressphase.
In einer akuten Stressphase kann man sich mithilfe von Atem- und Entspannungstechniken beruhigen. Es kann auch helfen die eigenen Gedanken aufzuschreiben, um sich davon zu lösen. Ein Spaziergang in der Natur, Sport oder soziale Kontakte können Abhilfe schaffen.
Stress kann sich auf verschiedenste Weise bemerkbar machen. Bekannte Stress-Symptome sind: Erhöhter Blutdruck, schnelle Atmung, Schwitzen, Rückenschmerzen, Kopfschmerzen, Kreislaufprobleme, Schwindel, Magen-Darm-Beschwerden wie Übelkeit, Appetitlosigkeit, Verstopfung oder Durchfall, Fatigue, Schlafstörungen, geringere Leistungsfähigkeit, Reizempfindlichkeit, Konzentrationsschwäche oder eine verminderte Libido.
In einer Studie konnte bewiesen werden, dass 20 bis 30 Minuten in der Natur, beispielsweise ein Waldspaziergang, das Stresslevel deutlich senken können. Außerdem hilfreich sind Achtsamkeitsübungen und Meditation. Es kann auch helfen, Zeit mit anderen Menschen oder seinem Haustier zu verbringen. Wichtig bei Stress sind zudem Ruhephasen und guter Schlaf. Sportliche Betätigung kann dabei helfen, Stress zu reduzieren.
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