Mit einem Anteil von mindestens 50 Prozent ist Eisenmangel die häufigste Ursache für Anämie.
Anämie (Blutarmut) ist definiert durch die Verminderung des roten Blutfarbstoffes Hämoglobin sowie der Anzahl der roten Blutkörperchen (Erythrozyten) und/oder die Abnahme der festen Blutbestandteile (Hämatokrit). Die Ursachen für Anämie sind vielfältig. Blutarmut kann sich auf verschiedene Weisen in der Laboruntersuchung manifestieren, die Blutwerte geben einen ersten Hinweis auf die Ursache.
- Die häufigste Ursache für Anämie ist Eisenmangel.
- Frauen sind häufiger von Blutarmut betroffen, da sie durch die Menstruation einen höheren Blutverlust haben.
- Die Größe und der Hämoglobingehalt der roten Blutzellen lassen Rückschlüsse auf die Anämie-Ursachen zu.
Anämie – Symptome
Anämie tritt als Symptom verschiedenster Grunderkrankungen auf, ist selbst also keine eigene Erkrankung. Die Blutarmut äußert sich allgemein durch Müdigkeit, Abgeschlagenheit und Blässe. Bei ausgeprägter Symptomatik und in Abhängigkeit von der Ursache der Anämie können weitere Symptome hinzukommen.
Anämie – Ursachen
Vermehrter Verlust roter Blutzellen (Erythrozyten) oder reduzierte Bildung von Hämoglobin bzw. Erythrozyten führen zu Blutarmut. Ursachen können Blutungen, Nährstoffmangel, Erkrankungen des blutbildenden Systems (Knochenmark) oder der Blutzellen sowie Autoimmun- und Nierenerkrankungen sein.
Unfälle oder innere Blutungen führen zum Verlust roter Blutzellen und damit zur Blutarmut. Die Anämie kann in diesem Fall akut auftreten, wie zum Beispiel nach schweren Unfällen, Operationen oder Aneurysmen. Anämie im Alter wird oft durch chronische Blutungen im Magen-Darm-Trakt verursacht. Frauen leiden insgesamt häufiger unter Anämie als Männer, da sie über die Menstruation monatlich Blut verlieren. Für Blutarmut-Symptome sollten Frauen also besonders sensibilisiert werden.
Hämoglobin ist der rote Blutfarbstoff. Er ist Bestandteil der Erythrozyten und essenziell für den Sauerstofftransport im Blut. Die Bildung von Hämoglobin ist bei Eisenmangel und chronischen Erkrankungen gestört.
Eisenmangel: Eisen ist ein Baustein des Hämoglobins. Besteht Eisenmangel, kann Hämoglobin nicht hergestellt werden. Das führt zu kleinen Erythrozyten (MCV erniedrigt) mit vermindertem Hämoglobingehalt (MCH erniedrigt) und in der Folge auch zu verringerter Erythrozytenanzahl. Diese Anämieform heißt mikrozytäre hypochrome Anämie.
Anämie bei chronischer Erkrankung: Bei chronisch entzündlichen Erkrankungen und Tumorerkrankungen kann Eisen nicht ausreichend vom Körper aufgenommen und verwertet werden. Es kommt zum funktionellen Eisenmangel und sogenannter Anemia of chronic Disease (ACD). Darüber hinaus kann bei chronischen Erkrankungen und Tumorerkrankungen zusätzlich ein echter Eisenmangel durch erhöhte Eisenverluste bestehen und die Anämie begünstigen.
Die Blutbildung findet bei Erwachsenen zu einem Großteil im Knochenmark statt. Sie wird unter anderem durch das Hormon Erythropoetin (EPO) reguliert.
Knochenmarksschäden: Knochenmarksschäden führen zu verringerter Bildung von Blutzellen. Davon können alle Arten von Blutzellen, auch Erythrozyten, betroffen sein. Durch Bestrahlung oder Chemotherapie können Stammzellen des Knochenmarks vorübergehend oder dauerhaft beschädigt werden, auch das kann unter anderem Anämie verursachen. Bei irreversibler Schädigung des Knochenmarks kann als Ultima Ratio eine Stammzelltransplantation durchgeführt werden.
Leukämie: Bei Blutkrebs (Leukämie) verdrängen Vorläuferzellen der weißen Blutkörperchen (Leukozyten) andere Zellarten im Knochenmark. Dies kann zu Anämie führen.
Myelodysplastisches Syndrom (MDS): Myelodysplastische Syndrome sind eine Gruppe von Erkrankungen des Knochenmarks, die mit einer genetischen Störung der erythropoetischen Stammzellen einhergehen. Sie zählen zu den Vorläufern einer Leukämie. Die Stammzellen produzieren übermäßig viele nicht funktionale Tochterzellen und verdrängen dadurch andere Zellreihen. Es kann zu Anämie, Blutungs- und Infektneigung kommen. MDS ist eine Erkrankung des höheren Lebensalters, verläuft in der Regel viele Jahre lang asymptomatisch und fällt meist nur in Routinekontrollen auf. Es besteht das Risiko des Übergangs in eine akute Leukämie, sodass regelmäßige Kontrollen ratsam sind.
Renale Anämie: Das Hormon Erythropoetin (EPO) ist verantwortlich für die Regulation der Bildung roter Blutkörperchen im Knochenmark. Es wird in der Niere gebildet und bei Sauerstoffmangel im Gewebe vermehrt ausgeschüttet. Bei schweren Nierenerkrankungen wie chronischer Niereninsuffizienz bildet die Niere nicht ausreichend EPO. Es fehlt die Stimulation des Knochenmarks zur Blutbildung mit der Folge einer Anämie.
Die normale Lebenszeit von Erythrozyten beträgt ungefähr 3 Monate. Verschiedene Erkrankungen führen zu einer verkürzten Lebenszeit der roten Blutzellen, sodass das Knochenmark nicht schnell genug neue Zellen nachproduzieren kann. Dies äußert sich in einer Anämie und vermehrt Vorläuferzellen der Erythrozyten im Blut. Die Zerstörung und der frühzeitige Abbau von Erythrozyten wird Hämolyse genannt.
Sphärozytose: Die hereditäre Sphärozytose (Kugelzellanämie) ist eine genetische Erkrankung mit gestörtem Aufbau der Zellmembran der Erythrozyten. Diese haben bei gesunden Menschen eine typische bikonkave Form, sind also auf beiden Seiten der Zelle nach innen gewölbt. Dadurch sind sie elastisch und passen sich auch kleinsten Blutgefäßen an. Bei Kugelzellanämie fehlt ein Membranprotein, sodass die Zellen kugelrund sind und durch vermehrte Scherkräfte in den Gefäßen beschädigt werden oder diese sogar verstopfen. Beschädigte Erythrozyten werden in der Milz abgebaut. Es kommt zur Anämie.
Paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie (PNH): Paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie ist eine genetische Erkrankung von Stammzellen des Knochenmarks, die mit fehlerhaften Membranproteinen aller Blutzellen einhergeht. Die Zellen werden von Teilen des Immunsystems als fremd erkannt und zerstört, dies betrifft insbesondere die roten Blutzellen. Die Tatsache, dass die sogenannten hämolytischen Krisen vor allem nachts auftreten, war namensgebend für die Erkrankung.
Enzymdefekte: Verschiedene fehlerhafte Enzyme in Erythrozyten können Hämolyse verursachen. Ein Mangel der Enzyme Pyruvatkinase oder Glukose-6-Phosphat-Dehydrogenase führen zu verringerter Lebensdauer roter Blutkörperchen mit Anämie.
Bei Autoimmunerkrankungen agiert das Immunsystem fehlerhaft gegen Zellen oder Gewebe des eigenen Körpers. Diese Reaktion kann auch gegen Erythrozyten gerichtet sein und zu Anämie führen.
Aplastische Anämie: Aplastische Anämie bezeichnet eine Immunreaktion durch T-Zellen gegen Erythrozyten. Diese Form der Anämie kann genetische Ursachen haben, durch Medikamente und Gifte ausgelöst werden oder nach viralen Infektionen auftreten. Bei über 80 Prozent aller Betroffenen kann keine Ursache für aplastische Anämie gefunden werden. Zu den angeborenen aplastischen Anämien gehören unter anderem Fanconi-Anämie und Paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie (PNH, siehe Hämolyse).
Autoimmunhämolytische Anämien (AIHA): Verschiedene Umstände können zur Bildung von Antikörpern gegen Blutzellen führen. Dazu gehören bestimmte Medikamente, virale Infektionen oder Krebserkrankungen. Die Antikörper zerstören die Erythrozyten, Folge ist eine Anämie.
Eisenmangel: Eisenmangel verursacht die häufigste Form der Anämie durch verminderte Hämoglobinsynthese (siehe verminderte Bildung von Hämoglobin).
Vitamin-B12-Mangel: Vitamin B12 (Cobalamin) ist beteiligt an der Zellteilung. Reife Blutzellen entstehen durch Teilung und Differenzierung von Stammzellen des Knochenmarks. Fehlt Cobalamin, kann keine ausreichende Zellteilung stattfinden, die entstehenden Blutzellen sind zu groß, enthalten mehr Hämoglobin und die Zahl der roten Blutkörperchen ist verringert (hyperchrome, makrozytäre Anämie). Diese Anämieform wird auch megaloblastäre Anämie genannt. Der körpereigene Speicher hält 2 bis 3 Jahre, sodass ein Vitamin-B12-Mangel gegebenenfalls erst sehr verzögert sichtbar wird. Zu Mangelzuständen kommt es vor allem bei rein veganer Ernährung oder nach Operationen des Magens. Der Magen bildet ein Protein (Intrinsic-Faktor), welches bei der Aufnahme von Vitamin B12 benötigt wird. Besteht die Anämie durch Mangel an Intrinsic-Faktor, wird sie perniziöse Anämie genannt.
Folsäuremangel: Auch Folsäure (Vitamin B9) ist essentiell für die Zellteilung. Ein Folsäuremangel hat die gleichen Auswirkungen auf die Blutbildung, wie Vitamin B12. Es kommt zur megaloblastären Anämie. Die Blutarmut tritt jedoch deutlich früher auf, da die Folsäure-Speicher des Körpers nur ca. 3 Monate reichen.
Anämie – Diagnostik
Anhand körperlicher Symptome wie Müdigkeit und Blässe und bei Hinweisen in der Anamnese kann der Verdacht auf eine Anämie gestellt werden. In einer Laboruntersuchung kann dieser Verdacht anhand des Hämoglobinwertes, der Erythrozytenanzahl und des Hämatokrits bestätigt werden. Durch Anamnese und körperliche Untersuchung kann in der Regel auch schon ein erster Verdacht auf die Ursache der Anämie gestellt werden. Hinzugezogen werden weitere Laborwerte wie Eisenwerte, Vitamine und Erythrozytenindices (MCH, MCV, MCHC).
Je nach Konstellation von Symptomen und Laborwerten können zur definitiven Ursachenfindung weitere Untersuchungen wie bildgebende Verfahren oder eine Magen-Darm-Spiegelung angeschlossen werden.
Diagnose Blutarmut – Was tun?
Die Therapie der Anämie richtet sich primär nach der Ursache. Vergleichsweise einfach zu identifizieren und zu beheben sind Ursachen wie Nährstoffmangel oder Blutverluste. Eisen, Vitamin B12 oder Folsäure können bei nachgewiesenem Mangel durch einen Arzt oder eine Ärztin verschrieben und substituiert werden. Da Vitamin B12 überwiegend in tierischen Lebensmitteln enthalten ist, wird bei streng veganer Ernährung eine vorbeugende Vitamin-B12-Einnahme empfohlen.
Mit ausgewogener Ernährung kann einer Blutarmut vorgebeugt werden. Wichtig ist die ausreichende Zufuhr von Eisen, Vitamin B12 und Folsäure über die Nahrung. Eisen sollte ohne ärztliche Verschreibung bei tatsächlichem Mangel nicht eigenständig substituiert werden. Vitamin B12 hingegen kann problemlos über Nahrungsergänzungsmittel der täglichen Ernährung beigefügt werden. Dies ist vor allem ratsam bei veganer Ernährung, nach Operationen am Magen oder für ältere Menschen.
Bei Anämie durch Blutverlust besteht die Therapie im Beheben der Blutungsquelle. Dies kann operativ oder endoskopisch erfolgen, je nach Ursache und Ort der Blutung. Überbrückend können Bluttransfusionen eingesetzt werden.
Andere (chronische) Erkrankungen mit Blutarmut erfordern mehr Geduld und Expertise bei der Therapie. Da Anämie das Symptom der entsprechenden Erkrankung ist, ist das Ziel immer die möglichst effiziente Behandlung der Grunderkrankung. Einige Krankheiten mit Anämie, wie bestimmte Arten der Hämolyse, verlaufen nahezu symptomfrei. In diesem Fall besteht die einzig symptomatische Therapie in regelmäßigen Bluttransfusionen.
Im Falle von Leukämie oder bei PatientInnen nach Chemotherapie, Bestrahlung oder anderen Knochenmarksschäden kann bei ausbleibender Regeneration des Knochenmarks eine Stammzellspende die letzte Therapieoption sein.
Ein Krankenhausaufenthalt bei Anämie kann bei unklarer Ursache der Blutarmut notwendig werden. Erste Anlaufstelle bei Symptomen einer Anämie sind AllgemeinmedizinerInnen, da diese die Symptome einordnen und über die Dringlichkeit und das weitere Vorgehen entscheiden können.
Häufige Fragen zu Anämie
Eine Anämie kann diverse Ursachen haben. Häufig sind Eisen- oder andere Nährstoffmängel. Andere Ursachen sind Blutungen, chronische und/oder genetische Erkrankungen, Leukämie sowie Knochenmarksschäden.
Die häufigsten Symptome einer Anämie sind Müdigkeit, Blässe, Leistungsminderung und Luftnot.
Die Gefahr einer Anämie hängt gewissermaßen mit der Ursache und den Behandlungsmöglichkeiten der Grunderkrankung zusammen. Viele Anämieformen sind gut therapierbar. Wichtig ist, dass bei entsprechenden Symptomen ein Arzt oder eine Ärztin aufgesucht wird. Unbehandelt kann jede Blutarmut lebensgefährlich sein.
Zur Versorgung der Organe mit Sauerstoff ist der Körper auf die roten Blutkörperchen angewiesen. Bei Anämie sind diese vermindert, sodass die Sauerstoffversorgung ab einem bestimmten Punkt nicht mehr gewährleistet ist. Lebenswichtige Organe wie Herz oder Gehirn können nicht ausreichend versorgt werden, auch das anfallende Kohlendioxid kann nicht zurück zur Lunge transportiert werden. Anämie kann unbehandelt lebensbedrohlich sein.
Anämie ist laut Definition ein Symptom, welches mit Verminderung der roten Blutkörperchen, des Hämoglobinwertes und/oder der festen Blutbestandteile (Hämatokrit) einhergeht. Sie kann ein Symptom von Blutkrebs sein, kann aber auch harmlosere Ursachen wie Nährstoffmangel haben.
Anämie ist ein Symptom, keine eigenständige Krankheit. Die Therapie von Blutarmut besteht in der Behandlung des Grundleidens. Im Notfall kann bis zum Anschlagen der eigentlichen Therapie oder bis zur Stillung einer ursächlichen Blutung mit Bluttransfusionen überbrückt werden.
Blutarmut im Alter sollte immer ärztlich abgeklärt werden. Sowohl Nährstoffmangel als auch Blutverlust durch Blutungen oder Tumore im Magen-Darm-Trakt als Ursache für Anämie treten im Alter häufiger auf als bei jungen Menschen. Eine Blutarmut ist ein ernst zu nehmendes Symptom.
Quellen
Anämie. AMBOSS. 2022. https://www.amboss.com/de/wissen/anamie (zugegriffen 12. Mai 2022)
Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie (GPOH): S1-Leitlinie „Eisenmangelanämie“. Langversion. AWMF-Register Nr. 025-021. 2021.
Herold G: Hämatologie. In: Gerd Herold (Hrsg), Innere Medizin. Köln: Gerd Herold 2019.
Vieth JT, Lane DR: Anemia. Hematol Oncol Clin North Am 2017; 31: 1045–60.