Eine aktuelle Studie (April 2021) aus Oxford in Großbritannien behauptet, den Durchbruch in der Behandlung von COVID-19-Erkrankungen geschafft zu haben. Durch die Einnahme eines Asthma-Sprays mit dem Wirkstoff Budesonid sollen 90 Prozent weniger PatientInnen eine Krankenhausbehandlung benötigen. Der Politiker und Gesundheitsexperte Karl Lauterbach spricht auf Twitter sogar von einem “Game Changer” in der Corona-Pandemie. Wir erklären, was genau in der Studie untersucht wurde und wie die Ergebnisse einzuordnen sind.
Asthmatiker leiden seltener unter schweren COVID-19-Symptomen
Der Verlauf einer COVID-19-Erkrankung beginnt in der Regel mit milden Symptomen wie Husten, Fieber und Geschmacks-/Geruchsverlust (Anosmie). Bei vielen PatientInnen klingen die Symptome nach wenigen Tagen wieder ab. Eine Auswertung der Zahlen aus dem Jahr 2020 aus Deutschland ergab, dass rund 6 Prozent der mit SARS-CoV-2 infizierten Personen einen Krankenhausaufenthalt benötigten. In mehreren Studien aus China, Italien und den USA wurde festgestellt, dass PatientInnen mit chronischen Atemwegserkrankungen (wie Asthma) seltener unter den hospitalisierten Personen zu finden waren, als es statistisch zu erwarten wäre. Das steht im Gegensatz zu der anfänglichen Annahme, dass diese Personen eine größere Gefahr haben, an schweren COVID-19-Symptomen zu erkranken.
Es wurde die Hypothese aufgestellt, dass die entzündungshemmende Wirkung von Glukokortikoiden (z. B. durch Asthma-Sprays) den Verlauf einer COVID-19-Erkrankung positiv beeinflusst. In anderen Worten: Durch die Unterdrückung des Immunsystems unterdrücken sie auch die vollständige Ausbreitung des Coronavirus.
Der Wirkstoff Budesonid
Budesonid gehört zur Wirkstoffgruppe der Glukokortikoide, welche auch als Kortikoide oder einfach als Kortison bezeichnet werden und einen systemischen Einfluss auf den ganzen Körper haben können. Sie wirken antiallergisch und antientzündlich indem sie das Immunsystem unterdrücken. In Stresssituationen können sie über das körpereigene Kortisol, beispielsweise in der Leber, die Produktion von Zucker (Glukose) steigern, um dem Körper Energie bereitzustellen.
Bei chronischen Atemwegserkrankungen wie Asthma oder der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD, chronic obstructive pulmonary disease) werden kortisonhaltige Mittel mit Hilfe eines Inhalators als Trockenpulver lokal in den Atemwegen angewendet. Kortisonhaltige Mittel (medizinisch Glukokorticoide) unterdrücken Entzündungen in den Bronchien und Atemwegen. Hierzu gehören unter anderem Budesonid, aber auch Beclometason, Fluticason und weitere. Sie werden bei Asthmatikern standardmäßig zur Dauerbehandlung zur Inhalation angewendet. Sie reduzieren die typischen Asthma-Beschwerden, Anfallsraten und verbessern die Lungenfunktion. In Notfällen, etwa bei einem akuten Asthma-Anfall, kommen allerdings andere Wirkstoffe zum Einsatz.
Neue Oxford-Studie: Budesonid gegen COVID-19
Die Studie (Merkmale: randomisiert, offen, mit Kontrollgruppe, klinische Studie Phase II) wurde Anfang April in einer angesehenen Fachzeitschrift veröffentlicht; jedoch vorerst unter Vorbehalt. Das bedeutet, dass noch keine Gegenkontrolle durch andere Wissenschaftler stattgefunden hat. Die TeilnehmerInnen waren volljährig und standen alle am Anfang einer COVID-19-Erkrankung, d. h. sie litten seit maximal 7 Tagen unter milden Symptomen. Die 146 TeilnehmerInnen wurden in zwei Gruppen aufgeteilt:
Kontrollgruppe (n = 73): Diese 73 PatientInnen erhielten je nach Symptomen eine für Großbritannien übliche Behandlung (fiebersenkende Mittel und Honig gegen Husten), bei schweren Symptomen weitere Behandlungen im Krankenhaus.
Testgruppe (n = 73): Diese 73 PatientInnen erhielten einen Inhalator mit dem Wirkstoff Budesonid als Trockenpulver. Bis zum Abklingen der Symptome wurden zweimal täglich zwei Sprühstöße mit je 800 μg Wirkstoff verabreicht, ansonsten gleiche Behandlung wie in der Kontrollgruppe.
Ergebnisse der Oxford-Studie
Die herausstechende Aussage der Studie ist, dass PatientInnen, bei denen in einem frühen Stadium der COVID-19-Erkrankung Budesonid verabreicht wird, eine 90 Prozent geringere Hospitalisierungsrate haben. Das bedeutet, dass diese Personen sehr viel seltener so starke Symptome entwickeln, dass sie wegen ihrer COVID-19-Erkrankungen im Krankenhaus behandelt werden müssen. Aus der Kontrollgruppe mussten 10 von 73 PatientInnen im Krankenhaus behandelt werden, bei der Testgruppe (mit Budesonid-Spray) nur einer. Außerdem ging die Genesung der PatientInnen etwas schneller voran: Bei der Kontrollgruppe war die klinische Genesung nach 8 Tagen erreicht, bei der Testgruppe bereits einen Tag früher.
Ein weiterer signifikanter Unterschied ist der Bedarf an fiebersenkenden Mitteln (Antipyretika). In der Kontrollgruppe musste an 50 Prozent der Krankheitstage ein fiebersenkendes Mittel wie Paracetamol, Aspirin oder Ibuprofen eingenommen werden. Bei der Testgruppe hingegen wurden diese Mittel nur an 27 Prozent der Krankheitstage benötigt. Einfach gesagt: Die Einnahme von Budesonid halbiert den Bedarf an fiebersenkenden Mitteln, zumindest bei den TeilnehmerInnen dieser Studie. Zwei Wochen nach Studienbeginn zeigten 72 Prozent der StudienteilnehmerInnen aus der Kontrollgruppe keine Symptome mehr, bei der Testgruppe waren es 82 Prozent, also 10 Prozent mehr symptomfreie PatientInnen.
Auch die Sauerstoffsättigung im Blut sowie die Viruslast mit SARS-CoV-2 wurden untersucht. Hierbei gab es zwischen den beiden Teilnehmergruppen allerdings keine signifikanten Unterschiede.
Kritiken an der Oxford-Studie
Die kürzlich veröffentlichten Ergebnisse wirken auf den ersten Blick bahnbrechend, jedoch sind viele ExpertInnen zurückhaltend oder sogar kritisch. Auch die AutorInnen der Oxford-Studie gestehen, dass die Aussagekraft stark eingeschränkt ist. Unter anderem gibt es folgende Kritikpunkte:
Die Anzahl der TeilnehmerInnen ist zu gering, um aussagekräftige Ergebnisse zu liefern.
Es gab keine Placeboguppe, d. h. die PatientInnen und das medizinische Personal wussten, wer den Wirkstoff erhält.
Die Studie ist noch nicht abschließend veröffentlicht, eine Gegenprüfung durch unbeteiligte Wissenschaftler steht aus.
Es gab schon viele Mittel, die als vielversprechend eingestuft wurden, u. a. das Mittel Chloroquin und das Ebolamittel Remdesivir. Viele solche Beiträge wurden zurückgezogen, entkräftet, oder haben bei weiteren Studien sogar gegenteilige Wirkung gezeigt. Bisher gab es keinen wirklichen Durchbruch in der Behandlung von COVID-19.
Die Studie wurde durch den Pharmakonzern AstraZeneca mitfinanziert, welcher auch den eingesetzten Inhalator vertreibt.
Fazit zu Budesonid und Corona
Die Ergebnisse hinsichtlich verminderter Krankenhausaufenthalte und einem verkürzten und milderen Verlauf der COVID-19-Erkrankungen durch eine frühzeitige inhalative Medikation mit Budesonid sind beachtlich. Sollte sich das – auch nur teilweise – bestätigen, so könnte dies eine große Hilfe bei der Behandlung der COVID-19-PatientInnen sein. Es wird auch gemutmaßt, dass durch die Einnahme Langzeitfolgen (Long-COVID) reduziert werden könnten. Budesonid ist ein gut erforschtes, weit verbreitetes und relativ einfach zu verabreichendes Mittel. Es ist auch in ärmeren Ländern breitflächig einsetzbar und die Wirksamkeit wird voraussichtlich nicht durch Mutationen des SARS-CoV-2-Virus beeinflusst.
Allerdings darf man die Nebenwirkungen und Risiken der Einnahme dieses Wirkstoffs nicht unterschätzen. Er gehört zur Wirkstoffgruppe der Glukokortikoide, welche auch als Kortikoide oder einfach als Kortison bezeichnet werden und starken systemischen Einfluss auf den ganzen Körper haben können. Bei chronischen Atemwegserkrankungen wie Asthma oder der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) wird Budesonid mit Hilfe eines Inhalators als Trockenpulver lokal in den Atemwegen angewendet. Die korrekte Anwendung ist nicht ganz einfach und es kann zu Nebenwirkungen wie Mundpilz (Mundsoor bzw. orale Candidose), Reizungen von Mund und Rachen, Heiserkeit oder Schwindel kommen. Außerdem gibt es einige Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten und Kontraindikationen bei bestimmten Erkrankungen. Deshalb ist – wie bei allen Medikamenten – von einer vorsorglichen, nicht ärztlich abgeklärten Einnahme dringend abzuraten.
Letztendlich kann der Beweis nur durch eine größer angelegte Doppelblind-Studie erfolgen. Das heißt einerseits viel mehr TeilnehmerInnen und andererseits der Einsatz eines Placebo-Sprays (ohne Wirkstoff), wobei weder die PatientInnen noch das medizinische Personal wissen dürfen, wer den Wirkstoff erhält und wer nicht. So kann man psychologischen Einflüssen vorbeugen und eine zuverlässigere Aussage über die Wirksamkeit von Budesonid bei COVID-19-Erkrankungen treffen.
Häufige Fragen zu Corona und Asthma-Spray
Die Studie lässt vermuten, dass die Einnahme eines Asthma-Sprays mit Budesonid den Verlauf einer COVID-19-Erkrankung positiv beeinflussen kann. Dabei kommt es aber auf den richtigen Zeitpunkt der Einnahme an. Eine vorsorgliche Einnahme wurde nicht untersucht, ebenso wenig die Wirksamkeit bei bereits bestehenden schweren Symptomen. Die eingeschränkte Aussage dieser kleinen, noch zu überprüfenden Studie lautet: Wird innerhalb der ersten 7 Tage einer COVID-19-Erkrankung bei noch milder Symptomatik das Spray angewendet, so reduziert sich die Wahrscheinlichkeit für einen schweren Verlauf mit Krankenhausaufenthalt. Dieses muss allerdings in einer breiter angelegten und besser designten Studie noch verifiziert werden.
Der Wirkstoff Budesonid gehört zur Wirkstoffgruppe der Glukokortikoide, welche auch als Kortikoide oder einfach als Kortison bezeichnet werden. Bei chronischen Atemwegserkrankungen wie Asthma oder der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD, chronic obstructive pulmonary disease) wird Budesonid mit Hilfe eines Inhalators als Trockenpulver lokal in den Atemwegen angewendet. Die korrekte Anwendung ist nicht ganz einfach und es kann zu Nebenwirkungen wie Mundpilz (Mundsoor bzw. orale Candidose), Reizungen von Mund und Rachen oder Schwindel kommen. Bisher wurde nicht nachgewiesen, dass eine vorsorgliche Einnahme von Budesonid-Spray den Verlauf einer COVID-19-Infektion abschwächt. Deshalb ist – wie bei allen Medikamenten – von einer vorsorglichen, nicht ärztlich abgeklärten Einnahme dringend abzuraten.
Da Budesonid zu den verschreibungspflichtigen Glukokortikoid-Wirkstoffen gehört, kann ein solches Asthma-Spray in Deutschland nur mit einem Rezept legal erworben werden. Dubiose Angebote aus dem Internet enthalten oft keinen Wirkstoff oder – schlimmer noch – schädliche Inhaltsstoffe. Deshalb sollte auf den Erwerb und die Einnahme von rezeptfrei erhältlichen Asthma-Sprays dringend verzichtet werden. Bei Bedarf werden diese Stoffe durch HausärztInnen oder LungenspezialistInnen verschrieben. Sollte sich in einer weiteren, größeren und besser angelegten Studie herausstellen, dass Budesonid-Spray tatsächlich einen positiven Einfluss auf den Verlauf einer COVID-19-Erkrankung hat, so werden die behandelnden ÄrztInnen zukünftig auch bei dieser Indikation nach ausführlicher Ab- und Aufklärung die entsprechenden Medikamente verschreiben.
Quellen
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