Etwa 30 bis 50 Prozent aller Migräne-PatientInnen leiden unter wiederkehrendem Schwindel.
Eine Migräne wird als vestibuläre Migräne bezeichnet, wenn ein regelmäßiger Zusammenhang zwischen einer bestehenden Migräneerkrankung und einer Schwindelsymptomatik in mindestens der Hälfte aller Migräneanfälle besteht. Sie wird daher auch Schwindelmigräne genannt.
- Vestibuläre Migräne ist eine Sonderform der Migräne, welche mit Schwindelattacken einhergeht.
- Etwa 1 Prozent der Normalbevölkerung erkrankt im Laufe des Lebens an einer vestibulären Migräne.
- Zur Vorbeugung sollte eine medikamentöse Therapie mit einem verhaltenstherapeutischen Ansatz kombiniert werden.
Was ist vestibuläre Migräne?
Der Begriff “vestibulär” steht in der Medizin für “den Gleichgewichtssinn betreffend”. Eine vestibuläre Migräne hat also Einfluss auf den Gleichgewichtssinn, Betroffene nehmen dieses als Schwindelgefühl wahr.
Vestibuläre Migräne hat eine Lebenszeit-Prävalenz von 1 Prozent. Das bedeutet, etwa 1 von 100 Menschen erkrankt im Laufe des Lebens an vestibulärer Migräne. Der Erkrankungsgipfel liegt im höheren Lebensalter, oft setzt der Schwindel viele Jahre nach Beginn der eigentlichen Migräne-Symptomatik ein. PatientInnen ohne Aura scheinen häufiger betroffen zu sein, vestibuläre Migräne mit Aura ist seltener.
Vestibuläre Migräne Symptome
Das Krankheitsbild der vestibulären Migräne wird erst seit Kurzem als eigenständige Erkrankung im Rahmen der Migräneerkrankungen wahrgenommen und untersucht.
- Die Schwindelattacken präsentieren sich in knapp 70 Prozent der Fälle als Drehschwindel.
- Sie können wenige Sekunden bis mehrere Stunden andauern.
- Der Schwindel kann hierbei vor, während, nach oder völlig unabhängig von den Kopfschmerzepisoden auftreten.
- Bewegung verstärkt sowohl die Kopfschmerzen als auch den Schwindel während eines Anfalls.
- PatientInnen mit vestibulärer Migräne reagieren meist empfindlich auf Schwindel-erzeugende Bewegungen (z.B. Karussellfahren).
Ursachen von Schwindelmigräne
Die Ursachen der vestibulären Migräne sind bislang nicht vollständig erforscht. Es wird davon ausgegangen, dass hierbei die der Migräne zugrundeliegende neuronale Übererregbarkeit in besonderem Maße Hirnareale betrifft, welche für das Gleichgewicht zuständig sind. Eine Dysregulation dieser Gebiete kann folglich zu Schwindel führen. Im Vergleich sind bei Migräne-PatientInnen mit Aura die Bereiche im Gehirn betroffen, die für das Sehen zuständig sind.
Vestibuläre Migräne Auslöser
Unabhängig von der Ursache kann es verschiedene Auslöser für vestibuläre Migräne geben. Es handelt sich dabei um dieselben Auslöser wie bei klassischer Migräne. Dazu gehören:
Schlafmangel
Stress
Alkohol
Nikotin
Wetterumschwung
Vestibuläre Migräne Diagnose
Die Diagnose der vestibulären Migräne ist vielschichtig und beruht vor allem auf dem zeitlich zusammenhängenden Auftreten von
Schwindel und
Migräne-typischen Kopfschmerzen sowie
Aura-Phänomenen (wie Lärm- und Lichtscheue) und
Seh- und Empfindungsstörungen.
Die Erkennung einer vestibulären Migräne basiert in Abwesenheit verlässlicher anderer diagnostischer Mittel größtenteils auf der Einschätzung der behandelnden ÄrztInnen. Während einer Schwindelattacke können in der neurologischen Untersuchung Augenbewegungsstörungen festgestellt werden, die Betroffene selber nicht bewusst wahrnehmen.
Besonders wichtig ist es im ärztlichen Gespräch und der Untersuchung, eine vestibuläre Migräne von anderen Schwindelerkrankungen abzugrenzen. Hierzu zählt unter anderem der Morbus Menière, bei dem zusätzlich zu einem Schwindel eine Schwerhörigkeit auftritt. Auch der benigne paroxysmale Lagerungsschwindel stellt eine Differentialdiagnose dar. Die Schwindelanfälle bei dieser Erkrankung verlaufen attackenartig und lassen sich durch bestimmte Lagerungsmanöver auslösen.
Vestibuläre Migräne Behandlung
Die Behandlung der vestibulären Migräne gleicht der etablierten Therapie der klassischen Migräneform.
In der Akutbehandlung leichter bis mittelschwerer Migräneanfälle werden hochdosiert nicht-steroidale Antirheumatika wie Ibuprofen oder Aspirin eingesetzt. PatientInnen, die unter schweren Migräneattacken leiden, können Triptane und bei Rezidiven oder langer Dauer der Anfälle auch weitere regelmäßige Medikation erhalten.
Triptane wirken antientzündlich und führen zu einer Verengung der Gefäße. Bei zu häufiger Einnahme können sie einen Medikamenten-induzierten Kopfschmerz begünstigen. Zu weiteren Nebenwirkungen der Triptane zählen erhöhter Blutdruck, Kältegefühle und Missempfindungen in Händen und Füßen sowie Schwindel.
Vestibulärer Migräne vorbeugen
Zur Vorbeugung von häufigen oder bei langanhaltenden Migräneanfällen werden oft Betablocker oder Calciumkanalblocker verschrieben. Calciumantagonisten sind in der Regel gut verträglich. Zu den mit diesem Medikament im Zusammenhang stehenden Nebenwirkungen gehören Müdigkeit und Gewichtszunahme. Betablocker können ein vorbestehendes Asthma verschlimmern. Gegen den Schwindel können Antiemetika verabreicht werden.
Bei einigen Betroffenen stehen die Symptome Gleichgewichtsstörungen und Schwindel im Vordergrund. Kopfschmerzen hingegen haben bei diesen PatientInnen nur eine untergeordnete Bedeutung. In diesen Fällen kann eine Behandlung mit Antiepileptika in Erwägung gezogen werden.
Wie auch zur Vorbeugung der klassischen Migräne sollte eine medikamentöse Therapie stets mit einer verhaltenstherapeutischen Behandlung kombiniert werden. Empfehlenswert sind Muskelentspannungstechniken, Akupunktur und Ausdauersport.
Quellen
Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN): S1-Leitlinie “Therapie der Migräneattacke und Prophylaxe der Migräne”. Langfassung. AWMF-Register Nr. 030-057. 2018.
Lempert T, Olesen J, Furman J, et al.: Vestibular migraine: diagnostic criteria. J Vestib Res 2012; 22: 167–72.
Obermann M, Strupp M, Holle D, et al.: Vestibuläre Migräne. Aktuelle Neurologie 2013; 40: 494–500.
Wirkstoffgruppen. Gelbe Liste Online. https://www.gelbe-liste.de/wirkstoffgruppen (zugegriffen 9. März 2023)