Auf dem Oberarm eines Mannes klebt ein Messgerät, welches auf dem Smartphone den Blutzuckerspiegel zeigen kann.
  1. Wie viele Menschen leiden in Deutschland an Diabetes und wie hoch ist der Beratungsaufwand für den Einzelnen?
  2. Welche Herausforderungen ergeben sich in der Diabetes-Betreuung?
  3. Welche digitalen Gesundheitsanwendungen gibt es denn bereits, die in der Diabetes-Betreuung eingesetzt werden?
  4. Wie kann man die telemedizinischen Angebote für die Diabetes-Betreuung noch verbessern?
Auf dem Oberarm eines Mannes klebt ein Messgerät, welches auf dem Smartphone den Blutzuckerspiegel zeigen kann.

Wie viele Menschen leiden in Deutschland an Diabetes und wie hoch ist der Beratungsaufwand für den Einzelnen?

Dr. med. Matthias Riedl: Etwa 8 bis 10 Prozent der Menschen in Deutschland leiden an Diabetes. Hier gibt es jedoch regionale Unterschiede und eine beträchtliche Dunkelziffer. Die Diabetes-PatientInnen müssen sich im Rahmen eines Disease-Management-Programms einem regelmäßigen Check-up unterziehen, bei dem eine Kontrolle der Augen, Füße, des Blutes und Blutdrucks sowie eine Schulung erfolgen. Der Aufwand ist extrem hoch, wird jedoch von der Krankenkasse übernommen. Das sollte im besten Falle in einer Schwerpunktpraxis für Diabetes und Ernährungsmedizin, wie dem medicum Hamburg, erfolgen. Hier haben Sie Kardiologie, Augenheilkunde, Ernährungsmedizin, Diabetologie und Allgemeinmedizin unter einem Dach. Das ist ideal und selten. In ländlichen Regionen müssen viele Dinge vom Hausarzt oder der Hausärztin abgedeckt werden. Zusätzlich muss der Patient oder die Patientin bei verschiedenen FachärztInnen vorstellig werden. Hier ist der Zugang schwierig und mit langen Wartezeiten verbunden.

Welche Herausforderungen ergeben sich in der Diabetes-Betreuung?

Dr. med. Matthias Riedl: Ein Großteil der Diabetes-PatientInnen, vor allem bei Diabetes Typ 2, muss sich einer Insulintherapie unterziehen. Häufig leiden sie zudem an Übergewicht. Bei Diabetes Typ 2 ist dieses Übergewicht auch eine Ursache, bei Diabetes Typ 1 ist es eine autoimmune Zerstörung der Insulinproduktion, die lebenslang eine Insulintherapie erfordert. Besonders kohlenhydratreiche Ernährung führen dann zu Blutzuckerschwankungen. Daher sollte immer eine ernährungsmedizinische Mitbetreuung erfolgen. Sie kann den Blutzuckerverlauf erheblich glätten. Die ernährungsmedizinische Versorgung ist in Deutschland sehr rar. Um diesem Mangel entgegenzuwirken, habe ich eine ernährungsmedizinische Applikation mitentwickelt, die myFoodDoctor-App. Hier können PatientInnen ein Ernährungstagebuch führen, es werden Fehleranalysen durchgeführt und Ernährungsempfehlungen vermittelt. Solche Anwendungen sollten in Zukunft Standard und zur Basisversorgung werden.

Welche digitalen Gesundheitsanwendungen gibt es denn bereits, die in der Diabetes-Betreuung eingesetzt werden?

Dr. med. Matthias Riedl: Mithilfe von Videosprechstunden können Praxen PatientInnen niedrigschwellig betreuen. In der Ernährungsmedizin ist dies bereits recht weit verbreitet, da wir hier PatientInnen aus dem gesamten deutschsprachigen Raum haben. Eine Innovation, die ich sehe, ist die Applikation zanadio. Diese wird auch von den Krankenkassen übernommen und bei schwerem Übergewicht eingesetzt. zanadio ist eine Hybrid-App mit Ernährungstagebuch, Analyse und Coaching. Das Coaching findet im 1-zu-1-Gespräch per Videoberatung statt. Dies verringert die Mitmach-Schwelle für Betroffene und passt besser zum modernen Leben, Anfahrten entfallen. Im Fall der myFoodDoctor-App, die sich für die Indikationen Übergewicht, Diabetes, Bluthochdruck oder einfach zur Optimierung sowie Testung der eigenen Ernährung eignet, können Sie für zusätzliche Hilfe das Ernährungstagebuch auch an eine Schwerpunktpraxis für Ernährungsmedizin übersenden und sich ärztlich oder ernährungstherapeutisch beraten lassen.

Wie kann man die telemedizinischen Angebote für die Diabetes-Betreuung noch verbessern?

Dr. med. Matthias Riedl: Wir brauchen hier einheitliche EDV-Systeme und eine bessere Übertragungsrate der Patientendaten. Wünschenswert wäre, wenn der Arzt oder die Ärztin sich in das Ernährungstagebuch des Patienten oder der Patientin einloggen könnte. Die Vernetzung und der digitale Zugriff auf Patientendaten – da stehen wir noch ganz am Anfang. In Dänemark kann die gesamte Patientenakte nach Freigabe durch die PatientInnen online abgerufen werden. Besonders bei der Fernübertragung von Blutzuckerwerten bestehen keine einheitlichen Standards und ein regelrechtes System-Wirrwarr. In Zukunft wäre eine automatische Übertragung der Werte und Kontrollen mit gezielter Kontaktaufnahme zu PatientInnen und entsprechender Beratung per Telefon oder Video denkbar. Die Zulassungsverfahren für solche Anwendungen sind extrem kompliziert und ziehen sich meist über mehrere Jahre. Durch staatliche Überregulierung werden hier viele digitale Entwicklungen, die zur allgemeinen Verbesserung der Gesundheit der Bevölkerung beitragen könnten, ausgebremst.

Zum Anfang
Bleiben Sie auf dem Laufenden & melden Sie sich für unseren Newsletter an!